Im Rahmen ihrer aktuellen Liederabend-Tour quer durch Europa machte Elīna Garanča gemeinsam mit ihrem Pianisten Malcolm Martineau für einen Abend im Grazer Stefaniensaal Station. Im Gepäck hatten die beiden ein tiefgründiges Programm, das zwar vier verschiedene Sprachen und Länder abdeckte, aber als verbindendes Element eine düstere Grundhaltung bot.

Elīna Garanča © Sarah Katharina
Elīna Garanča
© Sarah Katharina

Den Auftakt bildeten drei Lieder von Ottorino Respighi, nämlich O falce di luna, Serenata indiana, Tempi assai lontani, wobei sich hier mit der morbiden Grundstimmung schon abzeichnete, dass es kein Abend der leichten Kost werden würde. Obwohl Garanča die Werke mit Eleganz und Klangschönheit gestaltete, wirkte der italienische Einstieg noch ein bisschen wie eine Aufwärmwunde – sowohl für die Sängerin als auch das Publikum.

In Hector Berlioz Les nuits d’été kam Garančas Stimme dann zunehmend auf Betriebstemperatur: Ihr Mezzosopran strahlte und glitt in allen Registern bruchlos durch die düsteren Sommernächte. Dabei verlieh sie mit differenzierten Klangfarben den Liedern Charakter, ließ etwa im einleitenden Villanelle Sommer, Sonne und Wald-Idylle erstrahlen, gestaltete Absence mit viel Melancholie, und trug der düsteren Stimmung und Schwere von Au cimetière mit kühler Silbrigkeit Rechnung. Getrübt wurde der Eindruck aber leider vom Publikum, das beharrlich nach jedem Lied zum Applaus ansetzte – trotz nicht zu übersehender Hinweise zur Liederabend-Applaus-Etikette im Programmheft und auf der Übertitelungsanlage – und so die stimmungsvolle Atmosphäre unterbrach.

So richtig angekommen wirkte Garanča dann in der zweiten Hälfte des Abends bei den lettischen Liedern; denn hier bot sie – neben all ihren stimmlichen Qualitäten, die sie auch bereits zuvor ausspielen konnte – eine merklich intensivere Gestaltung und vor allem packendes Storytelling. Unendlich schön erklang da etwa Jāzeps Mediņš Sapņojums mit eleganter Phrasierung und leuchtenden Farben in der Stimme und auch die ausgewählten Werke von Alfrēds Kalniņš, Jānis Mediņš und Jāzeps Vītols kann man getrost als echte Entdeckungen des Lied-Repertoires bezeichnen.

Malcom Martineau bot dabei stets sein zuverlässig elegantes Spiel als Liedbegleiter, wobei er sich dezent im Hintergrund hielt; lediglich in seinen zwei Solos des Abends spielte er seine Virtuosität aus. So etwa bei Isaac Albéniz’ Tango in D, den er ebenso keck wie feurig interpretierte.

Die feurige Spanierin kauft man Elīna Garanča dann im abschließenden Teil des Abends nicht so ganz ab, aber die Siete canciones populares españolas von Manuel de Falla interpretierte sie überaus charmant – alle Stimmungen wurden da einmal durchgespielt, von sehnsuchtsvoll glühend bei Asturiana bis zum frech gestalteten Jota. Highlight des Ausflugs nach Spanien war aber das Wiegenlied Nana, das Garanča mit betörender Innigkeit gestaltete und bei dem man trotz heller Beleuchtung des Saals und unbequemen Sesseln tiefenentspannt entschlummern hätte können.

Als Zugabe kam das Publikum dann noch in den Genuss von Rachmaninows Lied Oni otvechali und weil es ganz ohne Oper offensichtlich doch nicht geht, begab sich Garanča schlussendlich mit „Io son l’umile ancella” aus Cileas Adriana Lecouvreur noch in Sopran-Territorium. Und wie sie das tat! Von ebenso zarten wie zurückhaltenden Piani über leuchtende Höhen und ein kraftvoll anschwellendes Crescendo bis hin zum sanften Ersterben des letzten, schier endlos im Saal schwebenden, Tons bot Elīna Garanča großes Opernkino beim Liederabend.

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