Eine Massenvergewaltigung, zwei Morde, etliche Peitschenhiebe, ekstatischer Sex und Selbstmord als krönender Abschluss, die Handlung von Dmitrij Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk, die auf der gleichnamigen Erzählung von Nikolai Leskow basiert, ist in ihrem brutalen Realismus wahrlich nichts für Zartbesaitete. Genau diese offene Darstellung von Sex und Gewalt, gepaart mit der machtvollen, oft expressionistischen Musik war es auch, die dem Werk trotz des anfänglich großen Erfolgs zum Verhängnis wurde.
Lange Jahre stand Schostakowitschs Oper nämlich auf der Verbotsliste der Sowjetunion, eine Partiturabschrift der Urfassung gelangte erst 1980 in den Westen, zuvor wurde gelegentlich eine stark entschärfte und musikalisch geglättete Fassung mit dem Titel Katerina Ismailowa gezeigt. Ausgegangen ist diese Zensur wohl von Stalin persönlich, der 1936, zwei Jahre nach der Uraufführung, eine Vorstellung des Werkes noch vor deren Ende verließ. Kurz danach erschien unter dem Titel „Chaos statt Musik“ ein vernichtender Artikel, in dem die Oper als abstrakt-formalistisch und dekadent verdammt wurde, woraufhin sie von der Bildfläche verschwand.
Als Anspielung auf diese politische Einflussnahme platziert Matthias Hartmann in seiner Inszenierung eine umgestürzte Büste Stalins auf der Bühne. Abgesehen davon bleibt Hartmann sehr nahe an der Geschichte, erzählt sie geradlinig, ohne sie neu zu deuten. Ein fast leerer Raum mit verblichenem Parkettboden, wenige Requisiten und als zentraler Ort immer wieder ein Bett – in diesem reduzierten Bühnenbild entfaltet sich das Drama, durch raffinierte Lichtregie unterstützt, in starken Bildern und ohne offensichtliche Brutalität und Provokation; Sex und Gewalt bleiben meist nur angedeutet. Schostakowitschs Musik spricht ohnehin eine so klare Sprache, dass es keiner zusätzlichen szenischen Darstellung bedarf.
Am Pult des Staatsopernorchesters leistete Dirigent Ingo Metzmacher einen entscheidenden Beitrag zur dichten Spannung des Abends, da er einerseits die schnörkellose Realistik und expressive Brutalität der Partitur voll auslotete, und andererseits Katerinas Passagen mit viel lyrischer Sanftheit gestaltete. Das ständige Pendeln zwischen rasender Ekstase, Melancholie und tiefer Zuneigung führte die starken Leidenschaften der Hauptfiguren beeindruckend vor Ohren. Metzmacher achtete darauf, die Sänger hinsichtlich der Lautstärke nie in Bedrängnis zu bringen, in den Orchesterzwischenspielen hingegen kostete er die Dynamik voll aus, forderte von den Bläsern im Forte immer wieder peitschende Tempi, ließ an anderen Stellen die Streicher im Pianissimo bedrohlich brodeln. Zu jedem Zeitpunkt wurden die Ereignisse allein aus der Musik heraus deutlich. Diese Umsetzung der starken Bildhaftigkeit der Musik war es auch, die für gewaltige Ausdrucksstärke sorgte und dabei die Handlung nicht bloß begleitete, sondern die Gefühle und Abgründe der Figuren ungeschönt offenbarte.
Ohne Ouvertüre führt uns Schostakowitsch in die Welt von Katerina Ismailowa, die wahrlich keine besonders schöne ist. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend ist Katerina mit einem Langweiler verheiratet, unbefriedigt und wird zu allem Überfluss vom Schwiegervater tyrannisiert. Beeindruckend brachte Angela Denoke die Wandlung vom gelangweilten Mädchen hin zur Frau, die für ihre Liebe über Leichen geht und schließlich durchdreht, als sie sich vom Liebhaber verraten sieht, auf die Bühne. Während man zunächst die Langeweile und Traurigkeit in Denokes Interpretation deutlich hören konnte, loderte danach von Szene zu Szene mehr Leidenschaft auf.