Im Streit der Befürworter des Dauervibratos und denen, die das schlanke, vibratolose Spiel bevorzugen, hat sich das Quatuor Ébène auf die Seite der Attizisten geschlagen. Das Vibrato wird bei ihnen wieder als Ausdrucksmittel eingesetzt, um mit ihm bestimmte Wirkungen zu erzielen, aber nicht zur Erzeugung von „Daueremotion” missbraucht, was den drei Stücken im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie sehr gut tat.

Haydns g-Moll-Quartett gilt unter den Fachleuten als besonders unerbittlich im Charakter. Doch die Mitglieder des Quatuor Ébène gingen ganz nüchtern an dieses Werk heran und verzichteten vor allem darauf, wie andere Ensembles, durch den Kopfsatz zu hetzen und in der Durchführung das Thema regelrecht zu zerstören. Stattdessen musizierten sie die Komposition feingliedrig und filigran. Die häufigen Unisono-Takte, die Haydn einschob, wurden darum auch nicht als Störenfriede wie von außen in den Zusammenhang geschoben, sondern sorgfältig in den Satz integriert. So entstand ein innigeres, ja fast zerbrechliches Geflecht. Die fünftaktige Asymmetrie des Menuetts verhindert grundsätzlich, den Satz als stilisierten Tanz aufzufassen, doch die „Ebenhölzer“ nahmen auch dem Trio seine Ländler-Idiomatik. Das scheint mir ein Charakteristikum des Ensembles zu sein; denn Ähnliches war später auch bei Bartók und Schubert zu bemerken. Im Poco-Adagio hatte der Violoncellist Yuya Okamoto erstmals Gelegenheit dazu, sein Instrument singen zu lassen, und er ließ die Stimme ein wenig beben. Den letzten Satz nahm das Quatuor als Gegenstück zum Kopfsatz, in dem sich die Vier einander die Motivbündel zuwarfen und am Ende wie auf Zehenspitzen das Moll in die Durvariante aufhellten.
Bei Bartóks Streichquartett Nr. 3 legte das Quartett das Gewicht nicht auf die vielen ungewöhnlichen Spieltechniken, sondern auf das Experiment. Am Ende des Seconda Parte wurde das besonders deutlich: Sehr eng hat Bartók dort Konstruktion und Spieltechnik miteinander verzahnt, die Stimmen zu engräumiger Chromatik verdichtet und schließlich in den Glissandi kulminieren lassen – und genau dieser Entwicklung spürten die Musiker und Musikerinnen nach. Wenn sie diese Glissandi messerscharf intonierten, stellten sie keine Effekte zur Schau, sondern realisierten formale Prozesse. So hatte die Aufführung fast Werkstattcharakter. Das bemerkte ich schon am Beginn, wenn die Imitationen das wie improvisiert Vorgetragene zwingend zur Form brachten. Nicht anders als bei Haydn und Schubert stellte die Darbietung die folkloristischen Elemente nicht in den Vordergrund und ließ auch die pentatonischen Motive oder modal erfundenen Themen nicht als archaische Fremdkörper sich vom Rest der Komposition absetzen. Es ging ihnen offenbar darum, den Konflikt aus diatonischen und chromatischen Feldern musikalisch darzustellen, nicht darum, Modernes gegen Altes auszuspielen.
Schuberts G-Dur-Quartett hatte das Ensemble erst in dieser Spielzeit in sein Repertoire aufgenommen. Voller Hochspannung begannen sie. Eine erste Eruption, trockene Härte und präzise Spitzen legten den Grundstein für die nächsten 50 Minuten. Ich habe die Melodie des Themas stets als Anspielung auf Rossini verstanden, was dieser tönenden Spekulation einen ironischen Ton gibt. Doch Pierre Colombet ließ sich wohl vom Lamentobass dazu inspirieren, ein getragenes Arioso daraus zu machen. Ernst wurde auch die Durchführung interpretiert, die sich in ihrem Zentrum so verhedderte, dass allein der Abbruch Rettung bringen konnte. Im langsamen Satz stand einmal mehr Yuya Okamoto im Zentrum. Im Trio des dritten Satzes wurde wieder auf allen Dialekt im Ton verzichtet und der Ländler als Gesangsstück vorgetragen. Das Finale wurde nicht abgeschnurrt, sondern geradezu sorgfältig bis zur Erschöpfung ausgetanzt.