Als „wahre Volkskunst” zur Freude des Publikums empfand Franz Schreker die Aufführung eines Kasperle-Theaters auf dem Marktplatz eines italienischen Städtchens und fasste den Plan zu einer Oper für Jedermann. Seit seinem Erstling Der ferne Klang 1912 gehörte er zu den meistgespielten Opernkomponisten Deutschlands. Scheiternde Künstlerfiguren waren meist die Protagonisten seiner Werke, für die er das Libretto selber schrieb. Eine überaus sinnliche, romantisch-fantastische Klangwelt war lange Garant seiner Erfolge. Mit der Zeit hatte sich eine sachlichere Musiksprache durchgesetzt und Schreker wollte sich mit dieser Volksoper neu erfinden – mit einem komischen Stoff in einem abwechslungsreichen Mix musikalischer Stile.

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Joachim Goltz (Smee)
© Christian Kleiner

Die Vorlage fand er in einer Erzählung des flämischen Dichters Charles de Coster, der neben dem Ulenspiegel auch die Geschichte vom Smetse Smee geschrieben hatte, dem gerissenen Schmied von Gent, der im 16. Jahrhundert gegen die spanischen Besatzer seiner Heimat kämpft und dabei allerlei Kuriositäten erlebt. Volkspoesie im besten Sinne, die Schreker zu dieser Oper aus dem flämischen Volksleben inspirierte.

Weil er als Gegner der spanischen Besatzer von einem Konkurrenten denunziert wird, verliert Smee als Anhänger der protestantischen Flamen seine Existenz. Doch der Teufel in Gestalt der verführerischen Astarte bietet ihm im Tausch gegen seine Seele einen Pakt an, durch den er wieder zu Wohlstand kommt. Nach sieben Jahren plagt Smee die Unruhe, ob die Hölle bald ihren Tribut fordern wird. Da erscheint ein armes Paar mit einem Kind und bittet um Hilfe, die Smee gern gewährt. Die Drei stellen sich als die Heilige Familie heraus und gewähren ihm die Erfüllung dreier Wünsche. So absonderlich diese sind, so ermöglichen sie es Smee aber, die gleich dreifach anrückenden Teufel mit List und Mutterwitz auszutricksen und sich schließlich aus ihrem Bann zu befreien.

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Der Schmied von Gent
© Christian Kleiner

Nach seinem Tod gelangt Smee im Jenseits zuerst vor's Höllentor, wo ihm Prügel angedroht werden. Und die Himmelspforte versperrt ihm der Hl. Petrus, weil Smee doch mit den Teufeln im Bunde war. Erst nachdem er gebeichtet hat und sich der Hl. Joseph für ihn einsetzt, wird Smee als zwar verführbarer, aber letztlich braver Mann in den Himmel eingelassen. Ein groteskes Gloria beschließt diesen burlesken Opernschwank.

Holzschnittartig und in kurzen aufeinander folgenden Szenen formt der Regisseur Ersan Mondtag am Nationaltheater Mannheim die Handlung der drei Akte zu einem temporeichen Panoptikum und spart dabei nicht mit Ironie und zum Teil derber Komik. Das bringt erheblichen Unterhaltungswert. Eine furchterregende Teufelsfratze mit einem Baby in den Krallen thront als Bühnenbild über dem Stadttor, das mittels Drehbühne auf der anderen Seite eine stilisierte Kleinstadt freigibt. Die Kostüme von Josa Marx lassen die jeweiligen Gruppen klar unterscheiden: in schwarzem Renaissance-Ornat die spanischen Adligen, knallbunt die biedermeierlichen Bürger von Gent, die Teufel in feuerroter Ganzkörperbemalung. Wie aus einem Bibelkinderbuch arrangiert erscheint die Hl. Familie im braunen Sackleinen und Petrus trägt natürlich einen Heiligenschein. Als Hauptteufelin mit übergroßen Hörnern fungiert Astarte, eine Figur aus der orientalischen Mythologie, die Smee mit erotischen Avancen auf ihre Seite zu ziehen versucht.

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Joachim Goltz (Smee) und Sung Ha (Herzog Alba)
© Christian Kleiner

Doch die Inszenierung will zu viel. Buntes Volkstheater scheint dem Regisseur nicht zu genügen. Er hat alles noch mit einem kritischen Blick auf die belgische Kolonialgeschichte überschrieben. Das mag in Antwerpen, wo diese Produktion zuerst gezeigt wurde, noch verstanden worden sein, hierzulande wirken die Anspielungen auf die Geschichte des Kongo, den der belgische König als Alleineigentümer einst maßlos ausbeutete, wenig erhellend. Und die als Video eingeblendete Rede Patrice Lumumbas am Tag der Unabhängigkeit zerstört mit ihrer Länge den Fluss der Handlung erheblich. Wenigstens trägt diese Konnotation aber zu weiteren bunten Kostümen der indigenen Menschen aus Afrika bei, welche Smees Reichtümer auf die Szene zu tragen haben.

So skurril wie die Handlung ist auch Schrekers Musik, die das Mannheimer Opernorchester unter der Leitung von Jānis Liepiņš so farbenfroh und vielgestaltig zum Klingen bringt, wie Schreker sie selbst „Gott sei Dank als uneinheitlich” bezeichnete. Da findet sich viel Parodie auf tradierte Modelle: derbe Trinklieder, fromme Streichergloriolen, symphonisch ausladende Zwischenspiele und ein Kinderchor, der Spottlieder singt, ein Trauermarsch Wagnerschen Ausmaßes, aber auch neben Schrekers Wunderklang der frühen Jahre herbe und aggressive Töne.

<i>Der Schmied von Gent</i> &copy; Christian Kleiner
Der Schmied von Gent
© Christian Kleiner

Ungemein spielfreudig zeigt sich das Ensemble, allen voran Joachim Goltz als gewitzter Schmied, mitunter vor Freude tanzend oder seine belgischen Waffeln im Publikum feilbietend – dabei stimmlich stets auf der Höhe. Mit schönem Alt gibt Julia Faylenbogen seine sorgenvolle Frau. Als Astarte flötet Seunghee Kho ihre Lockungen in den höchsten Tönen. In den weiteren elf Rollen schlagen sich die Solistinnen und Solisten wacker in ihren nicht einfachen Partien.

Hervorragend meistert der Chor die unterschiedlichen Anforderungen – mal als derbes Handwerkergejohle, dann als süßlicher Engelschor oder aus der Hölle mit wilden Verfluchungen.

Der Schmied ist Schrekers letzte Oper, bevor er bei der Uraufführung 1932 in Berlin antisemitischen Anfeindungen zum Opfer fiel. Wohl aus Verbitterung starb er 1934. Die Rückkehr seiner Werke auf die Bühne brauchte noch lange bis in die 1980ger Jahre. Die Produktion dieses selten aufgeführten Werks in Mannheim schließt eine Lücke im Repertoire von Schrekers Opernschaffen.

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