Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern ist für die meisten Klassikbegeisterten der Ort, wo sich am Lucerne Festival die berühmtesten Orchester der Welt die Klinke reichen. Doch das KKL steht auch anderen Veranstaltern offen, beispielsweise dem Luzerner Sinfonieorchester, den Obrasso Concerts oder den Migros-Kulturprozent-Classics. Letztere schaffen es immer wieder, renommierte Orchester und Solisten nach Luzern zu holen, wie jüngst die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Daniele Gatti und mit dem Geiger Frank Peter Zimmermann. Im Unterschied zum Lucerne Festival sind diese Konzerte für das Publikum nur halb so teuer, da sie vom Kulturfonds des Lebensmittelriesen subventioniert sind.

Auf dem Programm standen zwei schwergewichtige Werke von Robert Schumann, deren Komposition nur drei Jahre auseinanderliegt, die aber in ihrem Charakter unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier die eingängige „Rheinische“ Symphonie, die den Optimismus des Komponisten angesichts seiner neuen Kapellmeisterstelle in Düsseldorf widerspiegelt, dort das sperrige Violinkonzert, das als Vorbote von Schumanns psychischer Umnachtung angesehen werden kann.
Daniele Gatti, seit August frischgebackener Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle, ebnete die Unterschiede der beiden Werke eher ein, als dass er sie akzentuierte. Dafür mitverantwortlich ist selbstredend die Sicht von Frank Peter Zimmermann auf das Violinkonzert. Das sperrige Wesen des Werks kam auch in seiner Interpretation zum Vorschein, aber da war keine Spur von Verbissenheit oder verzweifeltem Kampf zu spüren. Zimmermann hat einen fröhlichen und zugänglichen Charakter, lächelte immer wieder mal einem Musiker oder einer Musikerin zu. Den ersten Satz spielte er zwar durchaus mit Ernst, holte den Gegensatz zwischen dem kräftigen Hauptthema und dem lyrischen Seitenthema heraus. Aber die dazwischenliegenden schnellen Passagen, die bei vielen Interpreten als anstrengender Kampf wirken, kamen erstaunlich mühelos daher. Im langsamen Satz, dem alles Dialogische zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester fehlt, begeisterte der Geiger mit schier endlosen Melodiebögen, die von einer selten gehörten Innigkeit waren. Der von Schumann plakativ herausgestellte fröhliche Charakter des Schlusssatzes geriet dann richtigerweise doch etwas doppelbödig. Sowohl im Orchester als auch im Soloinstrument nahm die gewollte Fröhlichkeit bisweilen maskenhafte Züge an.
Ganz ungetrübten Optimismus verströmte dann die Interpretation der „Rheinischen“ Symphonie, die der Zählung nach die Dritte, der Chronologie nach aber die Vierte und letzte ist. Gattis Art des Dirigierens, die schon beim Violinkonzert etwas kapellmeisterlich gewirkt hatte, war auch zu Beginn des Kopfsatzes der Symphonie wieder zu beobachten. Aber an den Schlüsselstellen des Werks löste er sich von dieser routinierten Haltung und wechselte in einen viel persönlicheren Modus. Insgesamt gab er dem Orchester viel Freiheit und Eigenverantwortung, was die aufeinander eingeschworenen Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle natürlich zu nutzen wussten. Die Qualitäten des berühmten Klangkörpers zeigten sich in allen Registern, beispielsweise im gemächlich dahinfließenden Scherzo, wo die verschiedenen Klangfarben raffiniert gegeneinander ausgespielt wurden. Ganz besonderen Eindruck machten die vier Hörner, die für den bald naturhaften, bald feierlichen oder jubelnden Charakter des in der „Horntonart“ Es-Dur stehenden Werks verantwortlich zeichneten.
Die Zugabe mit Schumanns Märchenerzählungen war, wie Intendant Mischa Damev zu Beginn des Konzerts angekündigt hatte, der Versuch, den oftmals als starr empfundenen Rahmen eines klassischen Symphoniekonzerts etwas aufzubrechen. Allein – nach dem strahlenden symphonischen Schluss der „Rheinischen“ funktionierte dieser Rückzug ins Kammermusikalische, dargeboten vom Klarinettisten Wolfram Grosse, dem Bratschisten Sebastian Herberg und dem Pianisten Paul Rivinius, überhaupt nicht.