Das Konzert des Gustav Mahler Jugendorchesters unter Ingo Metzmacher beim diesjährigen Musikfest Berlin stellte in Werken dreier Komponisten drei Arten der Klanggestaltung vor: den Mischklang, die minimalistische Reduktion durch Mikrotöne und die Klangschichtung. Ein gelungenes Experiment, das mit viel Zustimmung belohnt wurde.

Luigi Nonos A Carlo Scarpa ist ein ausgeklügeltes Werk, das wie pointillistische Musik klingt, in der kaum noch zwischen Ton und Geräusch unterschieden werden kann, da der Klang allein noch als Schwebung wahrnehmbar ist. Feinsinnig schattierte Metzmacher die vielfach dynamisch abgestuften Klänge ab und führte das Stück durch minimalistische Reduktion mehrfach an den Rand des Verstummens.
Umrahmt wurde Nonos Werk von zwei instrumentalen Stücken aus Wagners Parsifal – das Vorspiel eröffnete den Abend. Metzmacher agierte wie am Mischpult und fächerte die Instrumente derart zu einem Gesamtklang auf, dass Wagners Musik wie von innen erleuchtet erklang. Einzig die Trompete störte diese Balance empfindlich und schrillte aus dem Kontinuum der Orchesterflut heraus, statt ihr nur eine Farbe mitzugeben. Diesen dominierenden Auftritt sollte die Trompete eigentlich erst später am Abend haben...
Eine längere Pause nach A Carlo Scarpa hätte Nonos Trauermusik für den verstorbenen Architekten gutgetan, so wie es sich der Komponist gewünscht hatte. So aber irritierte der direkt folgende Karfreitagzauber als dessen unfreiwillige Fortsetzung.
Wohl kaum ein anderes Werk als Anton Bruckners Dritte, zumal wenn sie wie an diesem Abend in ihrer ersten Fassung gespielt wird, macht deutlicher, wie weit entfernt Bruckners Auffassung vom Orchester von der Wagners ist. Das demonstrierten die glänzend aufgelegten Musikerinnen und Musiker gleich zu Beginn, wenn die Streicher den Klangteppich auslegten und die Holzbläser ein Dach als Liegetönen darüber legten, damit sich das Thema regium der Symphonie dazwischen ausbreiten durfte. Da wurden die Stimmen nicht miteinander gemischt, sondern sorgfältig übereinander geschichtet. Diese Verbindung der Instrumente war auch sorgfältig in den Gesangsperioden der Ecksätze realisiert, wo stets mehrere Stimmen ineinander verflochten wurden.
Metzmacher setzte seine Darbietung auf die rhythmischen Triebkräfte und kehrte die Punktierungen und Triolen als übergreifende Motive heraus. Dabei arbeitete er auch eigenständige Charaktere heraus und ließ nicht alle fallenden Halbtöne zu Seufzern werden, sondern auch als spitze Winkel hervorstechen.
Wenn es eine Parallele Bruckners zu Wagner gibt, so liegt sie z.B. in der unendlichen Melodie mit der das Adagio beginnt. Wo andere Dirigenten sich häufig verzetteln, da ließ Metzmacher die Instrumente fließen, indem er klug jeden Anflug einer Zäsurbildung zu überspielen verstand.
Das Scherzo wurde als widerborstiges Tanzstück gespielt, in der eine Kreiselbewegung in den Stamptanz führte. Zu Recht nahm Metzmacher im Ländlertrio das Tempo nicht zurück
Das Finale begann mit quirlender Hektik in den Streichern, aus der ein Monolith als Hausthema hervorbrach. So viele Durchbrüche dieses kolossale Thema auch im Laufe des Satzes zu meistern hatte, so gelang es dem Orchester doch, das Pulver nicht vorschnell zu verschießen, sondern die Coda mit der Wendung des Thema regium nach D-Dur als das Ziel und den Höhepunkt des Werkes zu realisieren. Eine inspirierte Aufführung.