München ist noch immer eine Wagner-Stadt. Und daher war der Herkulessaal bis zum letzten Rand gefüllt, als Sir Simon Rattle seinen Ring mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks fortsetzte. Nach dem Rheingold vor drei Jahren, stand nun mit der Walküre der erste Tag des Bühnenfestspiels auf dem Programm und versprach mit einem stargespickten Ensemble große Wagner-Magie in konzertantem Gewand. Das Konzept ging auf – daran konnte selbst die Stickigkeit des Herkulessaals kurz vor dem Ende des jeweiligen Aufzugs nichts ändern.

Mit düsterer Wucht drückte einen bereits das Vorspiel in den Sitz und markierte, worauf man sich gefasst machen sollte. Wer bei Rattle allerdings mystische Wagnerüberhöhung sucht, lag falsch. Vielmehr war es sein feines Gespür für Tiefe, Dramatik und Balance, die der Musik einen frischen Anstrich verliehen. Das Orchester hatte Rattle ganz ans hintere Ende der Bühne platziert, um vorne Platz für die Sänger zu schaffen.

Wunderbar differenziert behandelte Rattle das Orchester, das zwar durchaus mächtig auftreten durfte und auf dichten Wagnerklang keineswegs verzichtete, dennoch behielt Rattle den Klang schlank, hob die Solisten heraus und behielt immer die Sänger im Blick. Die Prestigeträchtigkeit des Projekts wurde unmittelbar offenbar, wenn man beobachtete, wie vertraut Rattle mit den Musikern zusammenarbeitete. Das Ergebnis zeugte von der intensiven Vorbereitung, die Orchester und Dirigent für diese Walküre unternommen hatten. So klang das BRSO farbkräftig rund und verwandelte den Walkürenritt zu Beginn des dritten Aktes zum wilden Klangspektakel. Als Hand verlesen stellen sich die acht Walküren heraus, die wild entschlossen und stimmkräftig den dritten Aufzug eröffneten. Aus Platzgründen wurden sie von einem Assistenzdirigenten im Publikumsraum angeleitet.

Die Sängerriege wartete ansonsten mit bekannten Wagnerstimmen auf, dennoch lagen hier vielleicht die einzigen Schwächen dieser Aufführung. Als dramatisch-intensive Sieglinde machte Eva-Maria Westbroek am meisten Spaß, da sie es in unglaublich eindringlicher Art und Weise schaffte, die große Emotion ihrer Rolle auf ihre Stimme zu übertragen. Stuart Skelton reihte sich als Sigmund mit silbrigem Heldentimbre und nicht enden wollenden Phrasen ebenbürtig ein. Dagegen enttäuschte Iréne Theorin als Brünnhilde, sowohl was Textverständlichkeit als auch Stimmvarianz anging. Da halfen ihr auch die großen Gesten nicht. Gut schlug sich Bariton James Rutherford, der kurzfristig für den erkrankten Michael Volle einsprang und in die Rolle des Göttervaters Wotan schlüpfte. Düster und verzweifelt gestaltete er seinen ausgiebigen Monolog in der zweiten Szene des zweiten Aufzugs, doch auch das machtvolle Intervenieren in der Schlacht zwischen Siegmund und Hunding gelang Rutherford überzeugend. Bass Eric Halfvarson schleppte sich mit Wasserflasche und viel Vibrato durch seine Rolle als Hunding und konnte lediglich mit samtiger Tiefe punkten. Neben all dem Wagner-Stahl bildete Elisabeth Kulmans leichterer Mezzo eine großartige Abwechslung. Ihre Fricka war eine Verführerin, die ihre Stimme lediglich ganz präzise einzusetzen brauchte.

Was blieb am Ende nun von dieser Walküre? Unter der Leitung von Rattle wagten die BR-Symphoniker eine spannende Lesart der Walküre, die sich auf die Charakterentwicklung und -ausdeutung konzentrierte und die gleichzeitig dem Orchester Raum bot. Daraus ergaben sich brodelnde Emotionen, die folgerichtig in stürmendem Jubel und stehenden Ovationen nach dem letzten Aufzug resultierten. Das Beste daran: Siegfried und Götterdämmerung folgen ja noch.

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