Wenn die Väter der Oper auf Karol Szymanowskis Król Roger herabsehen, werden sie sich nicht im Grabe umdrehen, sondern vielmehr große Augen machen im Angesicht der Wege, in die ihre Kunstform gehen kann. Hier nun ist eine Oper, deren Zweck es ist, Nietzsches Philosophie zu erläutern, insbesondere den Wettstreit zwischen dem Apollinischen und dem Dionysischen (Kultiviertheit gegen grundlegenden Instinkt) in Nietzsches Geburt der Tragödie.
Die Gründungsväter wären ganz genauso erstaunt über die Klangwelt, die Szymanowski erschafft. Das Orchestertimbre ist außergewöhnlich dicht und vielschichtig und reißt einen mit wie Wellen, die heranrollen und brechen. Die Instrumentierung ist reich, doch wo manche Komponisten komplexe Instrumentierung nutzen, um individuelle Instrumente hervorzuheben, macht das meiste von Szymanowskis Musik in Król Roger das Gegenteil und nutzt vermischte Klänge, die sich beständig verändern. Man hört keine individuelle Horn- oder Klarinettenlinie, man fühlt sich einfach von der Gesamtheit des Orchesterklanges eingehüllt.
Kasper Holtens Inszenierung, seine erste für die Royal Opera, akzentuiert die konzeptionelle Natur der Oper zusätzlich. Der Beginn der Oper ist ein ganz außergewöhnliches Stück Musik: ein Chorcrescendo, das im zaghaftesten Pianissimo beginnt und zu überwältigender Intensität anschwillt. In Holtens Produktion ist die Bühne zunächst völlig dunkel, dann wird das Licht langsam stärker, um die Umrisse eines gigantischen Kopfes – beinahe so hoch wie das Proszenium – zu beleuchten. Das Licht ist eine Projektion, und als der Akt voranschreitet, wechselt und schwillt es im Einklang mit der Musik, um Veränderungen im Ausdruck des enormen Gesichtes zu kreieren.
Es ist wahrhaftig eine theatralische Meisterleistung des Bühnenbildners Aarfing und genau auf die Absicht der Oper ausgerichtet, doch im zweiten Akt wird es sogar noch übertroffen. Gänzlich ohne Pause nach dem ersten Akt, wird der Kopf gedreht, um nun zu enthüllen, dass wir uns wortwörtlich im inneren der drei Ebenen von Rogers Geist befinden, wie er von Freud vorgestellt wird: Ganz oben ist das Superego (ein Observatorium), in der Mitte, wo sich das meiste der Handlung zuträgt, ist das Ego (eine Bibliothek), und die unterste Ebene ist das Es, bevölkert von neun Tänzern in hautfarbenen Ganzkörperanzügen, die sich als Repräsentation der erotischen Instinkte in einem verworrenen Haufen winden. Es ist eine potente Sache, umso mehr, als es so eng mit der vollen Intensität von Szymanowskis Musik verbunden ist, die von Antonio Pappano und dem Orchester des Royal Opera House sensationell gespielt wurde. Es war keine Orchesterleistung, bei der man Höhepunkte heraussuchen kann, es war die konstante Kraft des Ensembles das beeindruckte, besonders wenn sich der Chor so glühend anschließt.