Oft zitiert und selten erreicht ist die alte Opernweisheit, dass es eigentlich ganz einfach sei, Giuseppe Verdis Il trovatore aufzuführen – man müsse nur die vier besten Sänger engagieren. Dieses Kunststück gelang nun der Bayerischen Staatsoper, die mit einer atemberaubenden Vorstellung höchstes Festspielniveau bot.

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Il trovatore
© Wilfried Hösl

Eine Glanzleistung lieferte da etwa Marina Rebeka als Leonora ab: Ihr Sopran ist in den letzten Jahren etwas nachgedunkelt und voller geworden, hat dabei aber nichts an Agilität eingebüßt, was für diese Partie die ideale Kombination ist. Denn dadurch konnte sie einerseits mit viel dramatischem Aplomb an die Sache herangehen (etwa im herzergreifend gestalteten „D’amor sull’ali rose”) und der Figur auf der anderen Seite in ihrer Auftrittsarie jugendhaften Charme mit ebenso spritzigen wie akkuraten Koloraturen verleihen.

Vittorio Grigolo (Manrico) und Marina Rebeka (Leonora) © Wilfried Hösl
Vittorio Grigolo (Manrico) und Marina Rebeka (Leonora)
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An ihrer Seite gab Vittorio Grigolo den Manrico und verausgabte sich offensichtlich so sehr bis zur Erschöpfung, dass er es nur wankend zu seinem Solovorhang schaffte und auf die weiteren Applaus-Runden gar verzichtete – gewissermaßen „Vissi d’arte” bis zum Kollaps. Von Ermüdungserscheinungen war ihm während der Vorstellung aber rein gar nichts anzumerken, denn er warf sich geradezu in den Abend, setzte dabei aber nicht so sehr auf theatralische Effekthascherei, sondern vor allem auf seine Kernkompetenz; nämlich die wunderbar schmelzend timbrierte Stimme, die dank strahlendem, farbenreichen Klang und differenzierter Gestaltung in seiner Arie im dritten Akt Erinnerungen an große Tenöre der Vergangenheit weckte.

Immer verlässlich als Verdi-Bariton des Vertrauens ist ohnehin George Petean, der auch als Conte di Luna begeistern konnte, indem er seine Stimme mühelos durch die Partie strömen ließ, ohne sich je von den Orchesterwogen, mit denen er sich durchaus konfrontiert sah, zum Forcieren verleiten zu lassen. Dabei changierte er gekonnt zwischen ehrlicher Zuneigung zu Leonora mit sanften, goldenen Farben in der Stimme und dem Bedürfnis nach Rache mit silberner Metalik im Klang; lediglich darstellerisch hätte man sich in diesen Momenten dann noch ein wenig mehr Schurkenfaktor gewünscht.

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Il trovatore
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Der Azucena lieh Yulia Matochkina ihren vollmundigen Mezzo, der frei von Brüchen durch alle Register strömt und dessen Tiefe ebenso samtig ist wie die Höhe strahlend. Noch mehr als die pure Technik faszinierte aber die Gestaltung, denn sie interpretierte die Rolle nicht bloß als rachegetriebene Hexe, sondern als traumatisierte Frau, die mit ihren inneren Dämonen kämpft; für jede widerstreitende Gefühlsregung fand sie in ihrer Stimme die richtige Farbe und auch darstellerisch brachte sie diese Gefühle packend über die Rampe.

Neben den wunderbaren Einzelleistungen bestachen auch die Duette bzw. Ensembleszenen mit idealem Timing und alle Solisten schienen sich dabei gegenseitig zur absoluten Höchstleistung zu pushen. Stellvertretend für viele solcher Highlight-Momente sei hier etwa das Finale des ersten Akts genannt, in dem Grigolo, Petean und Rebeka ein wahres Stimmfeuerwerk zündeten.

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Vittorio Grigolo (Manrico)
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Eine Luxusbesetzung war auch neben dem zentralen Quartett der Figuren aufgeboten: nämlich Tareq Nazmi als Ferrando, der mit elegant geführter Stimme die Vorgeschichte der Handlung dank seiner fein differenzierten Gestaltung greifbar zum Leben erweckte; man hätte ihm dabei durchaus gerne noch länger gelauscht, wenn Verdi ihm nur etwas mehr Material komponiert hätte!

Einen glänzenden Abend hatte der Bayerische Staatsopernchor, der nicht nur mit ebenmäßigem Klang überzeugte, sondern auch die verschiedenen Rollen und Stimmungen, die sie im Lauf des Abends zu verkörpern haben mit unterschiedlichen Farben gestalteten. Überhaupt gab es an diesem Abend keinen einzigen Schwachpunkt, denn auch die kleinen Rollen – von Ines bis zum Boten – waren hervorragend besetzt.

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Marina Rebeka (Leonora) und Erika Baikoff (Ines)
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Nicht weniger großartig war das, was es aus dem Orchestergraben zu hören gab: Unter der Leitung von Francesco Ivan Ciampa ließ das Bayerische Staatsorchester die Funken mindestens so hell sprühen wie der im Libretto oft besungene Scheiterhaufen. Bei all der feurigen Leidenschaft kamen aber auch die düsteren Momente nicht zu kurz – herrlich etwa die mystische Stimmung, die das Orchester während Ferrandos Erzählung schuf.

Beinahe zur Randnotiz angesichts dieser exzellenten musikalischen Leistungen wurde dabei die Inszenierung von Oliver Py, die in ihrer düsteren Produktionshallen-Optik aber erstaunlich gut zur erzählten Geschichte passt und das Kernthema des generationenübergreifenden Traumas zweier Familien mit beklemmender Symbolik herausarbeitet. Neben starken Bildern überzeugt dabei vor allem ein Einfall des Regisseurs ganz besonders: dass Leonora nämlich erblindet ist, liefert endlich mal eine logische Erklärung für ihre Verwechslung von Manrico und Conte de Luna!

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