Konzerten mit der virtuosen Pianistin Yuja Wang eilt ein von den Medien angeheizter sagenhafter Ruf voraus mit den dazugehörigen Attributen: „leichtfüßig wie feurig, zart, elegant und immer äußerst geschmackvoll.“ Ihre bisherigen gemeinsamen Auftritte mit dem jungen Dirigenten Tarmo Peltokoski, frisch ernannter Gastdirigent beim Rotterdam Philharmonisch Orkest, wurden in der Vergangenheit von spritzigen vierhändig gespielten Zugaben gekrönt, die im Internet begeistert empfangen und geteilt wurden. Die Erwartungen des Rotterdamer Publikums waren also hoch gesponnen und wurden leider enttäuscht. Das lag vor allem an der schlechten Balance: stellenweise konnte man Wangs Klavierspiel unter dem breit ausgemessenen Orchesterklang nur erahnen.
Bartóks 1931 vollendetes Zweites Klavierkonzert in G-Dur ist sowohl für das Publikum als auch die Ausführenden sehr anspruchsvoll. Bartók, selbst ein begnadeter Klaviervirtuose, schrieb es fünf Jahre nach Vollendung seines Ersten Konzerts, das beim damaligen Publik wenig Zustimmung fand. Er beschloss daher 1930/31 ein Zweites zu komponieren, „mit weniger Schwierigkeiten für das Orchester und mit leichter ansprechenden Themen.“ Den Klavierpart bestückte er jedoch mit den modernsten Klaviertechniken seiner Zeit.
Auffallend ist, dass erst im Finale Allegro molto das voll besetzte Symphonieorchester dem Solisten alle Ehre erweist: Der Kopfsatz Allegro kommt ganz ohne Streicher aus und im Mittelsatz Adagio-Presto-Adagio schweigen die Bläser in den Adagio-Abschnitten. Dieses melancholische Adagio ist perfekt dosierte Stimmungsmusik, und hier hatte Wang ihre besten Momente, als sie nur begleitet von den beherrscht wirbelnden Pauken sich alle Zeit der Welt nahm und klanglich klagend zauberte, bevor sie durch das Presto harsch unterbrochen wurde. Bartók bezeichnete diesen Abschnitt „als ein in ein Adagio eingebautes Scherzo“. Darin verwendet er im Klavierpart Cluster (Tontrauben, die der amerikanische Komponist Henry Cowell in die Kompositionstechnik einführte), was der Musik einen geheimnisvoll-gespenstigen Charakter verleiht.

Das Finale begann mit einem lauten Paukenschlag und besteht in seinem Verlauf aus ähnlicher Variantentechnik, mit der Bartók auch im Finale seines ersten Konzerts brillierte. Hier vermisste man von Wang ein energiereiches Vorantreiben des aggressiv agitatorischen Soloparts. Solist und Orchester rasten in ungebremstem Tempo durch blitzende, fast atemlose Klangmetamorphosen. Deutlich hörbar war Bartóks Bewunderung für seinen Zeitgenossen Strawinsky: es gibt am laufenden Band Zitate aus dessen Feuervogel und Petruschka. Die beeindruckenden Blechbläser sorgten für einen festlich sonoren Unterton, der im furiosen Schlussteil noch an Ausdruck gewann. Das Konzert endete, wie es sich gehört: in Erwartung eines stürmischen Beifalls.
Aber auch die sehnsüchtig erwartete Zugabe ließ an diesem Abend nur wenig spielerischen Übermut oder musikalische Überzeugungskraft aufblitzen.
Dabei hatte der Abend vielversprechend mit Bartóks Rumänischen Volkstänzen begonnen. Peltokoski zeigte darin sowohl dirigiertechnische Eleganz als auch musikalischen Tiefgang, als er den Bläsersolisten Atemraum und Mut zu individueller Interpretation der allseits bekannten Melodien zugestand.
Richard Strauss schrieb 1895-96 seine sinfonische Dichtung Also sprach Zarathustra (frei nach Friedrich Nietzsche) als Musik für das neue Jahrhundert. Am 12. Februar 1902 besuchte Bartók die ungarische Erstaufführung dieses Werks. „Das ganze Stück verrät ein enormes Genie und ist wirklich originell”, schrieb er danach an seine Mutter. Das RPhO überzeugte mit hervorragenden Solisten und auch die imposante Orgel im Konzertsaal der Hafenstadt kam klanglich voll zu ihrem Recht. Peltokoski ist ein absoluter Wagnerfan, aber auch Strauss’ Musik lässt ihn nicht kalt. Mit energischen Gesten forderte er ganzen Einsatz von seinen Musikern und tanzte zwischendurch auch in kleinen Walzerschritten genießerisch auf seinem Podest. Vor allem aber ließ er der hochromantischen assoziationsreichen Musik alle Zeit zum Atmen. Und dann blieb leider der letzte mehrmals wiederholte schwierige Bläserakkord, den Peltokoski mit vollem Risiko schwelgerisch ausbreitete, mit unreinen Schwingungen behaftet. An manchen Abenden steckt der Teufel im Detail.