Das Freiburger Barockorchester kommt in seinem eigentlichen Metier auch gut ohne Dirigenten aus, wenn es aber mal Ausflüge in das klassisch-romantische Repertoire macht, lädt es sich gern Pablo Heras-Casado ein. Das hat immer wunderbar funktioniert, zuletzt bei Beethoven oder Schumann. Nun waren es Schubert und Mendelssohn – wieder mit fantastischem Ergebnis. Der Abend mit Schuberts Sechster Symphonieseiner Rosamunde-Ouvertüre und Mendelssohns Sommernachtstraum wird noch lange nachklingen.

Pablo Heras-Casado © Daniel Dittus | Elbphilharmonie
Pablo Heras-Casado
© Daniel Dittus | Elbphilharmonie

Weil eben der Klang hier das Besondere war: klar in den mit Vibrato überaus sparsamen Streichern, handfest in den Naturhörnern, warm und weich in den historischen Holzbläsern Oboen, Klarinetten und den herrlichen Flöten, bei denen man die silbrige Brillanz moderner Instrumente gar nicht vermisste. Und dann kam noch bei Mendelssohn die Ophikleide hinzu mit ihrem urigen Mischklang aus Fagott und Tuba. Und wunderbar, wie differenziert und transparent alles zum homogenen Gesamtklang zusammenfloss und dennoch jede einzelne Instrumentalfarbe präsent blieb und ihre eigene Strahlkraft bewahrte. 

Zweites Erfolgsgeheimnis: der Dirigent! Als Kraftmaschine inspirierte Heras-Casado das Orchester sicht- und hörbar vom ersten Takt an. Schubertes Rosamunde-Ouvertüre mit den einleitenden mächtigen Akkordschlägen gingen sie kraftvoll an. Das folgende Allegro vivace hatte Temperament und Biss. Derart zupackendes Musizieren ließ einen fortan nicht mehr los.

So ging es weiter zu Schuberts kleiner C-Dur-Symphonie, wo nachzuempfinden war, warum schon Dvořák die vielen exquisiten Details der Instrumentierung so bewunderte. Das liebliche Andante-Thema, bewusst schlicht gehalten und ganz im romantischen Sinn volkstümlich (wie in der Literatur dieser Zeit die Märchen) hatte Charme und klang ohne jede Süßlichkeit. In gehörigem Brio jagte das Scherzo vorüber. Und nachdem des finale Allegro mit seinem Ohrwurm-Thema abgeschnurrt war, konnte das Publikum wieder entspannt Luft holen.

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Max Urlacher
© Daniel Dittus | Elbphilharmonie

Spannung und zugleich viel Heiterkeit bescherte nach der Pause Mendelssohns Musik zum Sommernachtstraum, und zwar vollständig mit allen Melodramen. Der Text, ein wenig originaler Shakespeare, meist aber fröhlich zusammengefasst und erzkomödiantisch präsentiert von Max Urlacher als Puck mit pinkrosa Stiefeln, der gleich die anderen Rollen auch mit übernahm: Oberon, Titania, Theseus und so weiter mitsamt dem Spiel im Spiel, der ironisch verfremdeten Tragödie um Pyramus und Thisbe (mit ganz ähnlichem Ausgang übrigens wie Romeo und Julia). Nicht alles von der verwirrenden Handlung wurde vollends klar (schon allein akustisch nicht trotz Microports), dennoch war so Mendelssohns Musik in einen Zusammenhang gesetzt, der erst ihren poetischen Ursprung erfassen lässt. 

Da war jetzt intensive Klangrede gefragt wie die magischen vier Akkorde, welche die Ouvertüre eröffnen und sogleich ins Zauberreich entführen. Als später die Elfen heranschwebten, flirrend in den Streichern mit markanten Pizzicati im Bass und Titania in den Schlaf sangen – mit wiegendem "Eiapopei" –, da waren die störenden Käfer und die züngelnden Schlangen in den surrenden Holzbläsern klangmalerisch mit im Raum. 

Stimmung pur: Die herrlichen Hörner malten im Notturno die Kulisse des Zauberwalds vor das innere Ohr und Auge. Und dann der Hochzeitsmarsch, auf den natürlich alle warteten wie auf das „Halleluja” im Messias: in barocker Klangpracht, triumphal mit den fantastischen Trompeten und dem ganzen jubelnden Orchester, das hier in seinem angestammten Metier aus dem Vollen schöpfte. Im Trauermarsch, der zur „Tragödie” Pyramus und Thisbe gehört, jammerten ironisch die Klarinetten, aber im sogenannten Rüpeltanz spielten sie fröhlich auf, wie auf dem Dorfanger zum Tanz und viel weniger grobianisch, wie es sonst zu hören ist.

So wurde dieser Sommernachtstraum in Poesie und Klang zu einer wahren Offenbarung. Und Schuberts Musik nicht weniger.

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