Eine fast leere Bühne mit einer vom Schnürboden hängenden Leuchte, an den Seiten dunkle Vorhänge und als Fluchtlinien angeordnete, schwebende Kerzen; dazu ein paar Sessel, Federn und Krähen. Beinahe fällt es schwer zu glauben, dass der Mann hinter diesem düsteren Konzept von Verdis Macbeth wirklich Barrie Kosky ist, denn anstatt auf den für ihn oft typischen optischen Überfluss und das kecke Spiel mit Publikumserwartungen setzt der Regisseur in dieser Inszenierung auf größtmögliche szenische Reduktion und kompromisslosen Fokus auf die mörderischen Macbeths.

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Anastasia Bartoli (Lady Macbeth) und Gerald Finley (Macbeth)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Hexen, König, Volk – sie alle bleiben entweder ganz im Verborgenen oder zeigen sich nur als schwarze Schatten; man wähnt sich dadurch phasenweise gar tief in der Psyche Macbeths (die zweifellos kein besonders einladender Ort ist). Auch wenn eigentlich nie viel passiert auf der Bühne, entwickelt die Inszenierung an der Wiener Staatsoper einen Sog, der in seinen Bann zieht und durch die psychologischen Ebenen viel Raum für Interpretation und Assoziation lässt. Dieses Konzept funktioniert allerdings naturgemäß nur dann wirklich gut, wenn der Interpret der Titelrolle ein Singschauspieler im besten Sinne des Wortes ist und auch nicht vor darstellerischem Einsatz zurückschreckt.

Gerald Finley (Macbeth) © Wiener Staatsoper | Michael Pöhn
Gerald Finley (Macbeth)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Ein Glück also, dass Gerald Finley bei seinem Rollendebüt den Macbeth stark von der dramatischen Seite aufrollte und die Figur mit Leben und Wahnsinn füllte, wobei es die kleinen Details waren – ein unterdrücktes Schnaufen hier, ein zuckender Finger da –, die den inneren Konflikt des Charakters am Weg zur Macht bzw. später seine zunehmende Paranoia eindrücklich greifbar machten. Möglicherweise lag es an den Nerven oder doch ganz banal an der Erkältungssaison, dass seine Stimme vor der Pause neben vieler schön gestalteter Momente bisweilen etwas fahl und vorsichtig klang; in den Akten 3 und 4 drehte Finley allerdings so richtig auf, ließ seinen Bariton in fein nuancierten Schattierungen schimmern und lieferte im „Pietà, rispetto, onore” ein Glanzstück an Legatokultur und stimmlicher Gestaltung, denn in diesen Minuten meinte man, wirklich in die Seele der Figur Macbeth blicken zu können.

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Anastasia Bartoli (Lady Macbeth)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Nun gibt es bestimmt leichtere berufliche Aufgaben, als sein Staatsoperndebüt erstens als kurzfristige Einspringerin für Ekaterina Semenchuk und zweitens ausgerechnet mit der Lady Macbeth zu absolvieren, aber Anastasia Bartoli brauchte nur einen Akt, ehe sie sich pudelwohl auf dieser Bühne zu fühlen schien. Hatte ihre Auftrittsarie noch etwas verhalten geklungen, was Power und Tiefe ihres dunkel timbrierten Soprans anbelangte, so steigerte sie sich danach kontinuierlich – etwa mit wunderbar pointierten Koloraturen im Brindisi, die blitzten wie ein Dolch im Sonnenlicht oder düsteren Schattierungen der Stimme in der Wahnsinnsszene – und gestaltete eine gnadenlose Lady in Morticia-Adams-Optik, der man sich auf ihrem Weg zur Macht besser nicht in den Weg stellen sollte.

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Anastasia Bartoli (Lady Macbeth)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Von einer spannenden Energie war auch das Zusammenspiel von Finley und Bartoli geprägt, denn sie verzichteten auf das allzu simple Narrativ des schwachen Macbeth und der herrischen Lady, sondern interpretierten die beiden als vielschichtige Charaktere, die in ihrer Beziehung ausgerechnet die schlechtesten Facetten des jeweils anderen zum Vorschein bringen.

Viel Effekt bei verhältnismäßig wenig Aufwand erzielen im Idealfall Macduff und Banco und dies gelang Saimir Pirgu respektive Roberto Tagliavini ganz ausgezeichnet. Denn während Pirgu mit viel tenoralem Schmelz und strahlenden Höhen den Verlust seiner Kinder sowie Rachefantasien gegenüber Macbeth besang, steuerte Tagliavini sonore Bass-Autorität und samtrote Klangfarben bei.

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Carlos Osuna (Malcolm) und Saimir Pirgu (Macduff)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Dass diese Oper dem Chor ganz besonders gut liegt, davon konnte man sich auch in dieser Vorstellung wieder überzeugen: Ob als bedrohliche Hexen oder unterdrücktes Volk der Schotten – der Klang der einzelnen Stimmen verschmolz zu einem Gesamtbild und fesselte mit packender Dramatik. Dass in der ersten Szene das Orchester dem Chor einige Takte lang beinahe etwas davonzulaufen schien, dürfte der Anordnung des Chors in Dunkelheit auf der Seite der Bühne geschuldet gewesen sein, denn das Feintuning zwischen Bühne und Graben pendelte sich schnell ein. Auch bezüglich der Lautstärke sorgte Axel Kober für eine auffallend ausgewogene Balance, nahm das Orchester zugunsten der Sängerfreundlichkeit (sowohl im Bezug auf den Chor als auch die Solisten) durchaus auch mal etwas zurück, opferte dabei aber nicht die innere Aufgepeitschtheit von Verdis Werk. Denn all den widerstreitenden Farben der Partitur, den heroischen Machtansprüchen ebenso wie den zuerst im Unbewussten nagenden Zweifeln und schließlich dem bedrohlicher werdenden Wahnsinn, verlieh das Orchester in all seinen Schattierungen Ausdruck.

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