Seit 1600 v.Chr. gibt es die Tradition im Tal der Könige, dass das Publikum bei Aufführungen mit einbezogen wird und aktiv am Geschehen teilnimmt – sagt zumindest Kevin John Edusei, Chefdirigent der Münchner Symphoniker. Und das muss man ihm wohl glauben, denn schon intoniert das Publikum als großer Chor den Ägyptischen Marsch von Johann Strauss Sohn.
Unter freiem Himmel im Brunnenhof der Münchner Residenz machten sich die Symphoniker auf die Suche nach einer weiteren Tradition, die die Musikgeschichte seit dem Barock begleitet. Denn seit dem Barock haben Komponisten orientalische Themen und Einflüsse in ihre Musik übernommen. Den Höhepunkt erreichte die Orientbegeisterung in der russischen Romantik, wobei Rimsky-Korsakows Schéhérazade sicherlich das prominenteste Beispiel darstellt und zu Recht als Hauptwerk auf dem Programm stand.
Den Auftakt machten allerdings zwei „ägyptische“ Werke. Neben dem Ägyptischer Marsch interpretierten die Symphoniker das Vorspiel zu Verdis Aida. Wer vielleicht zu Beginn die Befürchtung hatte, dass sich gerade der Anfang des Vorspiels mit den Violinen im Pianissimo im Brunnenhof verlieren könnte, wurde von den Musikern eines Besseren belehrt. Sehr konzentriert und höchst homogen begannen die Symphoniker das Preludio und entwickelten die Ouvertüre konsequent weiter. Mit flotten Tempi, aber einem sehr detaillierten, transparenten Ansatz gestaltete Edusei die Ouvertüre sowie den Ägyptischen Marsch spannend und der Umgebung angepasst luftig und klanglich sehr flexibel.
Borodins Steppenskizze aus Mittelasien und Humperdincks Tetuan: Ritt in die Wüste sind zwei selten gehörte Raritäten, die mit den Münchner Symphonikern ihren großen Klangreichtum präsentierten. Edusei entwickelte besonders in der melodienreichen symphonischen Dichtung Borodins eine ausdrucksstarke, erzählkräftige Interpretation, die klanglich durchlässig, aber gleichzeitig sehr emotional war. Im leicht dämmrigen Licht des Brunnenhofs entfalteten sich die malerischen Themen und hinterließen besonderen Eindruck. Tetuan, das den Abschluss der dreiteiligen erst 1945 uraufgeführten Maurischen Rhapsodie bildet, verlangte den Symphonikern deutlich mehr Dramatik ab, die diese mit großem Ausdruck lieferten.