Ein starker Hauch von Nostalgie weht momentan durch die Opernwelt: In Wien feierte dieser Tage Margarethe Wallmanns Inszenierung von Giacomo Puccinis Tosca nach 60 Jahren ihr Jubiläum mit der bereits 600. Vorstellung. Die Neuproduktion, die Sir David McVicar für die Metropolitan Opera kreiert hat, erlebte ihre Premiere zwar erst vor knapp zwei Wochen, könnte optisch aber locker auch aus jener Zeit stammen. Wer mehr über die Inszenierung und die durchaus präzise gelungene Personenregie lesen möchte, dem sei an dieser Stelle die Premierenrezension ans Herz gelegt.
Vorausgegangen waren der neuen Tosca im Laufe der letzten Monate etliche Turbulenzen, in der mittlerweile fünften Vorstellung schien nun aber bereits musikalische Routine eingekehrt zu sein. Denn die Sänger präsentierten sich (gesanglich und überdies auch in der Darstellung) als ideal eingespieltes Team. Vor allem die Chemie zwischen Sonya Yoncheva und Vittorio Grigòlo wirkte dabei angenehm ungekünstelt und auch die beiden Stimmen harmonierten ganz ausgezeichnet. Für die Tosca brachte Yoncheva die nötige Diven-Attitüde mit einer großen Natürlichkeit mit, sodass selbst die Penetranz der Figur im ersten Akt nie ins Lächerliche abzugleiten drohte. Wie Samt floss ihre Stimme durch den Abend und auch wenn solche Vergleiche im Grunde unnötig sind, kommt man als Zuhörer nicht darum herum, sich bezüglich Timbre und Phrasierung an die große Maria Callas erinnert zu fühlen. Für meinen Geschmack war die einzige Schwachstelle an Yonchevas Interpretation in der besuchten Vorstellung leider ausgerechnet das „Vissi d'arte“, in dem sie sämtliche notierte Piani ignorierte, wodurch der Arie einerseits ihre Innigkeit und andererseits der sich aufbauende Spannungsbogen genommen wurden. Sämtliche Eifersuchts- und Verzweiflungsausbrüche meisterte die bulgarische Sopranistin hingegen mit voller vokaler Attacke ohne dabei je forcieren zu müssen und auch die utopische Hoffnung der letzten Szene auf der Engelsburg gestaltete sie eindrücklich.
Mit Vittorio Grigòlo stand ihr gesanglich ein ebenbürtiger Cavaradossi zur Seite, der weder vor triefendem Schmalz noch vor großem Pathos zurückschreckte. Mit seiner ausladenden Gestik lief er jedoch manchmal Gefahr, von seiner Stimme abzulenken, was angesichts deren sonnendurchfluteten, schönen Timbres wirklich schade war. Verschwenderisch malte er mit einer breiten Klangfarbenpalette, um den Charakter zum Leben zu erwecken und hatte seinen Tenor dabei stets eindrucksvoll unter Kontrolle, wenn er sich etwa in den sanften Momenten zu dezent schwebenden Piani zurücknahm um sie dann wiederum zu beherzt strahlendem Forte zu steigern.
Keinen brutalen Bösewicht, sondern einen kultivierten Sadisten brachte Željko Lučić als Scarpia mit seinem eleganten Bariton auf die Bühne, wobei er mit dieser Lesart im „Te Deum“ stimmlich gegenüber dem Chor schnell unterging und ein bisschen mehr Nachdruck gar nicht geschadet hätte. Im zweiten Akt war es aber genau diese zurückhaltend lauernde Herangehensweise, die Lučićs Scarpia seine Bedrohlichkeit verlieh, als er zunächst sanft und dann in der vokalen Gestaltung immer kälter und härter werdend sein Opfer einkreiste. Abgerundet wurde der Abend durch die durchwegs gut besetzten kleineren Rollen sowie der Tatsache, dass Dirigent Emmanuel Villaume mit den Sängern mitzuatmen schien und so eine ausgewogene Balance zwischen Bühne und Graben schuf. Ging das Orchester zunächst noch sehr hektisch an Puccinis Partitur heran – dem Beginn des ersten Akts fehlten die durchgehenden Bögen und auch die süßlich parfümierten Farben des Duetts zwischen Tosca und Cavaradossi hätten hier stärker ausgekostet werden können – steigerte sich mit zunehmender Dramatik der Handlung die Orchesterleistung immer mehr. Das Drängen und die Kraft der Folterszene gelangen ebenso wie ein berückend sentimentaler dritter Akt, in dem naturgemäß vor allem die Klarinette mit viel Gefühl auftrumpfen konnten.
Stand diese Tosca anfänglich nach Absage um Absage unter keinem guten Stern, hat sich letztlich dank der hervorragenden Besetzung, die die Met nun aufgeboten hat, doch noch alles zum Guten gewendet.