Es ist so etwas wie ein Geburtstags-Konzert, bei dem der Jubilar selbst den entscheidenden Anteil am musikalischen Programm hat: Christoph Eschenbach dirigiert am Vorabend seines 85. Geburtstags in der Philharmonie an der Regnitz die Bamberger Symphoniker, deren Ehrendirigent er seit langem ist. Eschenbach nannte einmal Bruckner als „einen seiner größten Schätze“. Und Saint-Saëns gewaltige Orgelsymphonie wurde bereits 1987 mit Eschenbach und dem Orchester im Bamberger Dom für eine Audioveröffentlichung aufgezeichnet, stand zwei Jahre später auf dem Programm eines Gastkonzerts des Klangkörpers im Linzer Brucknerhaus.

Zweifellos ist Anton Bruckners Erste Symphonie, wie an Eschenbachs gewichtigem Zugriff zu hören war, schon ein Bruckner-typisches Geschöpf: das – vor allem harmonisch – „kecke Beserl”, wie Bruckner sie einmal nannte (und mit dem vergnügten Diminutiv „Beserl” meint der Österreicher durchaus auch eine freche junge Dame) nimmt vor allem in den drängend crescendierenden Passagen für sich ein. Eschenbach hat die späte, sog. Wiener Fassung ausgewählt, in der Bruckner die eigentlich um 1866 entstandene Symphonie nochmals einer Revision unterzog, nach der Entstehung seiner Achten und Neunten Symphonien noch.
Schon im einleitenden Allegro imponierte, wie Eschenbach das Orchester beim Hauptthema in seiner federnden Rhythmik über den klopfenden Bässen aus einer inneren Unruhe antrieb, der Solohornist (Christoph Eß) synkopisch wie spitzbübisch seinen Kommentar dazu einwarf. In schwärmerisch sehnsüchtigem Auf und Ab markierte die Geigenmelodie des zweiten Themas einen fast idyllischen Gegensatz. Trompeten und Posaunen gaben dem dritten Motiv Wucht und Glanz.
Fragend der Einstieg der Hörner im Adagio, lichter dann der mehrstimmige Flötenchoral, die Holzbläser in besänftigendem Gesang. Auf eine groß angelegte Steigerung blieb der Höhepunkt mild verklärt. Urwüchsig das Scherzo, dessen Nähe zu Schubert immer beeindruckt. Rhythmische Präzision in dramatisch pulsierenden Tempi schließlich beim Schlusssatz, dessen Oktavsprung diverse Motivbildungen durchlief. Eschenbach empfahl sich eindrucksvoll als anfeuernder, temperamentvoll modellierender, doch ebenso im richtigen Moment Atem holender Bruckner-Interpret, der jede exaltierte Pose vermied.
Ein Werk, das in seiner finalen Erlösungssequenz fast an Mahlers Zweite denken lässt: Camille Saint-Saëns’ Orgelsymphonie von 1885, sein gewichtigstes symphonisches Opus, war vom regelmäßigen Organisten an diversen Pariser Cavaillé-Coll-Orgeln durchaus für Ausstrahlung zwischen himmelwärts strebenden Sakralpfeilern konzipiert worden. Im Keilberth-Saal der Bamberger Konzerthalle entfaltete das gewaltige, 1993 von der Orgelbaufirma Georg Jann errichtete säkulare Instrument auch außerhalb gotischer Kathedralen seine Wirkung: Christian Schmitt, seit zehn Jahren Principal Organist der Bamberger, hatte seinen Platz dieses Mal direkt beim Dirigentenpult am Respekt einflößenden mobilen Spieltisch. Neben der Königin der Instrumente bereichert auch ein vierhändig bespielter Flügel und zudem eine besonders große Bläserbesetzung die Farbpalette des Orchesters.
Eschenbach verstand es, bei aller Bombastik und Monumentalität des Werks den Faden einer Dramaturgie nicht zu verlieren: schon in der langsamen Einleitung schälte er geheimnisvoll das Thema heraus, das als leidenschaftlich auffahrendes Motiv im ersten Allegro erscheint, das ganze Werk durchzieht und sich dabei mit dem gregorianischen Choral Dies irae vermischt. Die Orgel trat zunächst nur in kleinen Sequenzen in das Geschehen, erschien anfangs fast wie nebenbei im langsamen Abschnitt als Begleitung einer melancholischen Streicherkantilene: intime Delikatesse von vibrierender Süffigkeit, um Saint-Saëns‘ Melodie zu voller Blüte zu entfalten.
Der zweite Satz Poco adagio, in dem Saint-Saëns seine Fähigkeiten als versierter Kontrapunktiker beweist, gelang traumhaft weich und feingeistig, gab auch den beiden Pianist*innen Raum für aparte Klangwirkung. Erst am Ende einer langen Steigerung löste Schmitt die Spannung auf, leitete den triumphalen Höhepunkt des Stückes ein, der an Saint-Saëns’ historisches Vorbild Franz Liszt denken ließ. Mit Eschenbach und den hellwach agierenden Symphonikern fand er höchste Übereinstimmung in Tempo- wie Rhythmikfragen, in der klangfarblichen Tönung und einer bei stufenlos wachsender Dynamik hymnisch-meditativen Anmutung. Frenetischer Festtags-Jubel und Happy Birthday, Christoph Eschenbach!