Im nur weltlichen Zusammenhang gewinnt man der Redensart „Mir geht ein Licht auf“ nach eine Erkenntnis, nachdem man über eine Rätselhaftigkeit grübelte. Dass diese Wendung auf die Psalmen und eine Stelle im Matthäusevangelium zurückgeht, schafft somit wiederum eine naheliegende Verknüpfung zum christlichen Gedenken und Erwarten des sternenilluminierten Weihnachtswunders, dem wir im hinführenden Advent und am Fest aus Freude und Hoffnung der einigermaßen rätselhaften Erlösergeburt neugeschichtlich mit der Beleuchtung von Tannengrün begegnen. Diese Spanne bildete das Freiburger Barockorchester unter seinem Cembalo-Dirigenten Kristian Bezuidenhout gemeinsam mit vertrauten wie höchstklassigen Gesangssolisten und der Zürcher Sing-Akademie beim Advents- und Weihnachtskonzert im Konzerthaus Dortmund neben einer Motette Michael Praetorius' mit vier Kantaten Johann Sebastian Bachs ab.

Den Unterschied von Advent und Weihnacht fing Bezuidenhout im ersten Teil dabei mit zwei Weimarer Beispielen ein, indem er schon allein die an sich von Bach diametral geschriebene Besetzung für sich sprechen ließ. In Nun komm, der Heiden Heiland, BWV61, wählte Bezuidenhout also ein kleinstes Instrumentalconsort, das Dorothee Mields, Alexander Chance, Julian Prégardien und Manuel Walser als One-voice-per-part-Praktiker begleitete. Kurioserweise ergaben sich damit leichtere Balanceschwierigkeiten, die allerdings komplett verschwunden waren, als dem Quartett in der ja reichlich gefüllten Kantate Christen, ätzet diesen Tag, BWV63, das volle FBO für die vokalen Solo-Tutti-Effekte bestens austariert zur Seite stand. Einleuchtend nicht nur dieser Griff in die Kontrastkiste, sondern auch der Interpretationsrahmen eines weichen, runden, warmen, weniger grellen Klangs und dramatischen Darbringens. Einerseits orientierte sich Bezuidenhout dadurch an einen Kirchenraum, andererseits einfach an die textleitend feierlich-besinnliche Stimmung von „Gnad'“ und Seligkeit. Glücklicherweise verzichtete der Dirigent gleichzeitig dafür nicht auf seine Markenzeichen: recht schnelle Tempi, generell eine lebendige Gestaltung und eine flüssige, aus phrasierender Instrumentalperspektive geformte, flügelgleiche Wellen- oder Atemdynamik.
Wechselte Bezuidenhout für die BWV61-Arie „Öffne dich, mein ganzes Herze“, die Mields eben getreu dieser entsprechenden Weise und ihrer Stärke der dezenten, schmeichelnden Zusprache versüßte, exklusiv an die Truhenorgel, suchten sich im Konzertverlauf die Holzbläser stets verschiedene Plätze. In BW63 postierten sich den vier Trompeten die drei Oboen links gegenüber, von denen Ann-Kathrin Brüggemann das Obilgatsolo des ersten Duetts blies, das sie mit schmiegsamen wie ästhetisch einwandfreien Mields und Walser in das beschauliche Licht von Dank und Herzlichkeit der Welt tauchte. Als reine Wohltat mutete Chances Altus wie die personifizierte Bewunderung an, zwischen der die kultivierte, völlig verlässliche, fundierte Zürcher Sing-Akademie selbst mit gefestigter Zuversicht innerhalb der Freudentanz zelebrierenden Kantatenchöre lag. Chance und Prégardien gingen zudem im zweiten – dann vital-entschlossenen – Duett farbig und stimmig in- und miteinander auf. Kein störendes Vibrato, besonders auch kein zu starkes Forcieren bei Prégardien, der wiederum im Kranz des abendlichen Ensembleduktus die farbigen, artikulatorischen Kontraste exakt verkörperte.
Symbolhaft betrug die Anzahl der ZSA-Mitglieder in diesem Programm übrigens vierundzwanzig, von denen Anna Bachleitner den solistischen Sopran II in Gloria in excelsis Deo, BWV191, gab. Sie bewiesen in Angelus ad pastores ait ihre professionelle Zurückhaltung, um bei der Größe nicht aufzutragen, vielmehr um Stil, Textlich- und Bildlichkeit zu wahren. Das Stück teilte im zweiten Part die zwei anderen Kantaten, beide aus Leipzig. Gelobet seist du, Jesu Christ, BWV91, in der Walser mit dem FBO so wunderbar sauber artikuliert durch die Harmonien wandelte wie darauf das Duett von Mields und Chance, das in der gezogenen Herrlichkeit gar als ein in sich geschlossenes Meisterwerk schien. Die drei Oboen gingen in der Kantate nun nach rechts, vormalige Plätze nahmen die Hörner ein. Vorne links saßen die Holzbläser letztlich in besagter Kantate BWV191, in der Bach drei Sätze des „Gloria“ seiner Missa brevis 1733 wiederverwertet. Gleich blieb das Erlebnis: Ein vorzüglich abgeschmecktes, passendes, wieder in Harmonien schwelgendes Duett (diesmal Mields und Prégardien) sowie prächtiger Glanz und Tanz, über dem das Licht der Erkenntnis und Zufriedenheit leuchtete.