Hatte Jakob Lehmann zuletzt den Workshop Concerto Kölns mit den Duisburger Philharmonikern zur Erarbeitung Bruckners Vierter Symphonie betreut, sollte er beim nächsten romantischen Projekt des Ensembles auch als verantwortlicher Konzertdirigent auf dem Podium in Erscheinung treten. Auf dem Programm der neuerlichen Zusammenkunft standen dabei Stücke zweier bedeutender Komponistinnen, der Französin Louise Farrenc und der Deutschen Emilie Mayer. Anstelle Clara Schumanns – sie kommt im Romantikprogramm des Orchesters im Februar vor – als eine mögliche Dritte im Bunde für eine rein weibliche Werkaufstellung fand deren Mann Robert mit seinem Violinkonzert als bekannter Anker in der Mischung mit Unbekannterem Platz; selbst wenn die beiden Damen freilich seit einiger Zeit vermehrt in den Fokus vieler Orchester gerückt sind.

Shunske Sato © Marco Borggreve
Shunske Sato
© Marco Borggreve

Legt das Ensemble bei seinen historisch-informierten Beleuchtungen zusätzlich zu detaillierten Spielweisen üblicherweise natürlich auch existentiellen Wert auf die Verwendung zeitgetreuer Instrumente, verständigte es sich diesmal bei zeitlich auseinander liegenderen Werken fast einheitlich auf die spätmöglichsten Bläsermodelle eines deutschen Orchesterklangs der abendlichen Epoche. Zeugnis davon gaben neben den Fagotten insbesondere die post-inventionstechnischen Ventilhörner, die in Farrencs Konzertouvertüre in Es (1834), ihr zweites Orchesterstück, so aber bei allen gedanklich fließenden Übergängen der Instrumentenbauzeit recht kurios auf die danach umgehend ausgetauschten Naturtrompeten trafen, wodurch die besondere Vorläuferfarbigkeit – zunächst! – verloren ging. Und generell eine Kontrastschärfe in Farrencs komplementärer Ouvertüre, wenngleich zumindest die glücklicherweise stets aufgedrehte Pauke das doch dichte Klangbild mit einem guten Schuss Theatralik und Spritzigkeit befeuern konnte.

Passend – nicht nur jetzt mit Schumanns Erwärmung und Komposition für Ventile – und auch dahingehend konsequent ein dann eher dramatischeres Schumann-Violinkonzert, für das bei Concerto Köln abermals Shunske Sato als Solist aus den eigenen Reihen fungierte, der seine Aufgaben ja sonst als Konzertmeister anderer Projekte und ebenfalls Workshopreferent und -dirigent romantischer, nächstes Jahr klassischer Erkundungen beim Orchester wahrnahm und wahrnimmt. Dabei drängte sich jedoch im Verlauf öfter der Eindruck eines interpretatorisch gearteten Nebeneinanders von Solist und Ensemble auf – trotz der eigentlichen Vertrautheit und damit einheitlicheren Erwartung zueinander, zumal Lehmann auch Geiger ist.

Zwar spielte Sato also manche Orchesterpassagen gewohnt mit und koordinierte auch entscheidenden, erfreulichen Übergang im Kopfsatz, allerdings schien die Kommunikation derart eingeschränkter, dass sich einerseits das dagegen in den Expositionen wie befreit wirkende und nun wenigstens immer mal wieder und stärker um lyrischere Kontraste bemühte Orchester zu sehr auf die Rolle eines tempomäßig leicht verzögerten, etwas hölzernen Reagierers beschränkte; andererseits die Sologeige allzu auf das gut gelungene, extravagante Virtuos-Wirsche fokussiert war. Abseits mancher Intonationseintrübungen klang so auch beispielhaft die seidig-flageoletthafte Thematik des Mittelsatzes bei Sato an einigen Stellen ausdrucksfahler und asynchron „klebrig“ an der Saite.

Als wollte Concerto Köln zuvor vermisste Vorzüge nachholen, bot sich bei Mayers Symphonie Nr. 7 reichlich Feld und genutzte Gelegenheit, ein entschieden stimmigeres Bild abzuliefern. Dazu bei trugen nicht nur die einzelnen Instrumentengruppen mit markanterer Artikulation in erhellenderer Balancierung – nun zudem bei den viel prominenter von Lehmann eingesetzten Hörnern zur Erwiderung von Pauke und Bassposaune –, sondern auch das Herausbringen größerer, unter Beibehaltung und Aufladung dramatischer Grundtendenz mit romantisch-lyrischem und dynamischen Gespür entwickelter, sich bedingender Kontraste, Phrasierungen und Übergänge. Selbst wenn die typisch deutlichen Portamentoerarbeitungen vorher bemerkbar waren, kamen sie in der Symphonie gleichfalls besser zur Geltung, auch die Soli Alexander Scherfs Cellos, Christian Bindes Horns und Sylvester Perschlers Klarinette gerieten vorzüglich. Nach schon parademäßig so destilliertem Scherzo kulminierte der anregende Esprit – zum Finale mit auch vernehmbaren Ventiltrompeten – in Mayers weiter keck aufgeladenem Schlussmouvement.

Da die Sätze bereits von Zwischenapplaus des Publikums garniert wurden, spendeten Concerto Köln und Lehmann eine weibliche Zugabe: Mélanie Bonis‘ Prélude der orchestrierten Suite en forme de valses, die wirklich nahezu nie im Konzertsaal zu hören ist.

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