Mit Frank Castorfs Bayreuther Inszenierung des Rings in seiner vierten Saison stehen dieses Jahr die Änderungen auf der musikalischen Seite der Produktion im Zentrum des Interesses, allem voran das Dirigat, das von Kirill Petrenko an den Veteranen Marek Janowski übergegangen ist. Es zeigt den Reiz von Bayreuth, und die Gelegenheit eines späten Debüts hier, dass Janowski – der bekannterweise gesagt hat, er würde wie wieder eine Operninszenierung dirigieren, denn er möge keine modernen Produktionen – sich abermals in einem Opernhaus wiederfindet, zusammen mit einer der kontroversesten Wagnerinszenierungen in der Geschichte der Festspiele.

Natürlich ist ihm die Musik vertraut, und er ist, so glaube ich, der einzige Dirigent, der den gesamten Ring-Zyklus zweimal aufgenommen hat, im Studio in Dresden in den 1980ern und in einer Reihe von konzertanten Aufführungen in Berlin erst vor wenigen Jahren. Unterstützt von der berühmten Akustik des  Festspielhauses klang das Orchester im eröffnenden Rheingold beseelt. Janowskis Herangehensweise kombiniert Energie mit Geschmeidigkeit, und wenngleich der abgesenkte, versteckte Graben die Tendenz hat, den vollen dynamischen Effekt des Orchesterklangs abzuschwächen, leuchtete die Musik mit einer Intensität und Detailschönheit, die in forscheren Händen und analytischerer Akustik bisweilen verloren geht.

Auch die Besetzung des Rheingolds ist für diese Wiederaufnahme aufgefrischt worden. Neu dazu kommen Iain Paterson als etwas schroffer Wotan und Sarah Connolly bei fester Stimme als Fricka. Aus früheren Jahren sind Albert Dohmens stimmlich unübertriebener Alberich und Nadine Weissmanns glänzende Erda – sie erhielt beim Vorhang verdient den enthusiastischsten Applaus. Die anderen Götter – Markus Eiches Donner, Tansel Akzeybeks Froh und Caroline Wenbornes Freia – hatten, zusammen mit Roberto Saccàs feiner Charakterisierung des Loge, ihr jeweiliges Gegenstück in der Arbeiterwelt von Andreas Conrads Mime, Karl-Heinz Lehners Fafner und Günther Groissböcks teilnahmsvollem Fasolt. Alexandra Steiner, Wiebke Lehmkuhl und Stephanie Houtzeel gaben ein lebendiges Trio von Rheintöchtern.

Castorfs Inszenierung ist so frustrierend wie erhellend. Es geschieht immer eine Menge, mit vielleicht zwei Gruppen von Figuren sichtbar und einer dritten, die aus dem Bühnenbildinneren mit live-Kameras gezeigt wird – es geschieht so viel, dass es von der Musik selbst ablenken kann. Doch wenn es ein Publikum verdient, mit Wagner herausgefordert zu werden, so ist es das erfahrene in Bayreuth, und der vorrangige Eindruck einer Überlagerung von Schichten der Ironie, die gegen den Pomp der Musik und ihre Bühnengeschichte stichelt, gibt wahrscheinlich so viel wie er nimmt.

Mit der Verpflanzung zum Golden Motel und dazugehöriger Tankstelle an der Route 66 im Texas der 1960er, dessen Währung das schwarze Gold ist, bekommt Das Rheingold einen Hauch von düsterem, ultra-realistischem Thriller – man erwartet beinahe, dass Marlon Brando an der zwielichtigen Bar im Herzen der Drehbühne auftaucht. Aleksander Denićs verdient gelobte Designs sind phänomenal in ihrem Gefühl für Details und Realismus, wie sie es sein müssen, um es mit dem allzeit präsenten kinematischen Auge der Kameras in Nahaufnahme aufzunehmen, deren Bilder auf einem großen Bildschirm über dem Bühnenaufbau gezeigt werden.

Zwischen alledem gibt es zahlreiche Einsichten und ironische Kommentare – der elegante Übergang zwischen der ersten und zweiten Szene vermittels Telefongespräch zwischen einer der Rheintöchter und Wotan in seinem Motelzimmer; Mime, der Alberichs Habe in Anspruch nimmt, als er hört, dass sein Bruder entführt wurde; Wotans kurzer Prozess mit Erda, als der die Generation von Walküren zeugt, während die Riesen sich um den Ring streiten. All das trägt zu einer klaren Präsentation der Handlung bei, doch man kann sich dem Gefühl von Verlust hinsichtlich der großen Gefühle und Naturschauplätze, die in der Musik präsent sind, nicht erwehren.


Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck.

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